Was ist friedliche, bindungsorientierte Erziehung überhaupt? Und wie gelingt der Umstieg von herkömmlicher Erziehung?

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Welche Vorteile eine friedliche und bindungsorientierte Erziehung hat?

Auch wenn die Wissenschaft bereits seit Jahren und Jahrzehnten auf die klaren Vorteile der bindungsorientierten Erziehung hinweisen - die herkömmliche Erziehung, auch konventionelle oder autoritäre Erziehung genannt, hält sich hartnäckig.

Wenn wir hundert Jahre zurückblicken und die Erziehungsphilosophien von damals betrachten, ist es schockierend zu sehen, was damals wie selbstverständlich als Mittel der optimalen Erziehung vorgeschlagen wurde.

Viele Komponenten dieser „herkömmlichen Erziehung von damals“ werden leider auch heute von vielen noch nicht hinterfragt. Ein Beispiel:

Man hielt es für sehr gut, dass Kinder weinen – „es trainiert ihre Lungen“ – so hat man es als gute Sachen angesehen, ein Baby weinen zu lassen, um einzuschlafen. Während man diesen Glauben in Stammeskulturen eher nicht finden konnte, war es in der westlichen Kultur sehr verbreitet und es gibt wahrscheinlich auch heute noch genug Menschen, die diesen Irrglauben glauben (es ist natürlich absolut nicht gut!).

Wie vieles andere auch.

Friedliche Erziehung hat viele Vorteile

Tschüss Erziehung mit Strafen, Drohen und Gewalt

Die schwarze Pädagogik sollte längst ausgedient haben!

Herkömmliche Erziehung fußt im Grunde auf vier Säulen: Macht, Gewalt, Anpassung und Gehorsam.

Macht: Eltern nutzen ihre Macht für das Durchsetzen ihrer Interessen.

Gewalt: Wenn nicht anders möglich, wird mit gewaltsamen Maßnahmen gearbeitet, psychisch und physisch.

Anpassung: Gewünschtes Ziel ist die Anpassung des Kindes an die Vorstellungen und die Erwartungen des Erwachsenen.

Gehorsam: Grundlegende Bedingung und Ziel der herkömmlichen Erziehung sind der Gehorsam des Kindes.

Schwarze Pädagogik sollte ausgedient haben

Katharina Rutschky, Pädagogin und Soziologin, beschreibt diese Mechanismen in ihren Büchern: „Schwarze Pädagogik. Quellen zur Naturgeschichte der bürgerlichen Erziehung".

Doch autoritäre Erziehung führt nur zu wütenden Kindern, die das Interesse daran verlieren, mit ihren Eltern zu kooperieren. Und auch das Pendant, die anti-autoritäre Erziehung (Laissez-faire), führt zu unglücklichen Kindern, die ihre Eltern ständig auf die Probe stellen. In beiden Fällen widersetzt sich das Kind der Führung der Eltern und entwickelt keine Selbstdisziplin.

Wie eine Studie nach der anderen zeigt, überrascht es nicht, dass Kinder, die bestraft werden (egal ob physisch und/oder psychisch), sich aggressiver gegenüber anderen Kindern verhalten, später als Jugendlicher rebellischer sind und als Erwachsene anfälliger für Depressionen und gewalttätiges Verhalten werden.

Erziehung ohne Integritätsverletzung

Ein Plädoyer für Bindung und Beziehung.

Der beziehungsbasierte Weg unter den Erziehungsphilosophien leitet das Kind durch Vorbildwirkung dazu an, sein Bestes zu geben, anstatt es mit Strafen (Konsequenzen) und Belohnungen zu kontrollieren.

Damit dies gelingt, müssen die Eltern dazu in der Lage sein
sich selbst zu regulieren, um präsent und anwesend zu sein. Erst dann ist eine Verbindung zum Kind möglich.

Was, wenn es auch ohne Integritätsverletzung geht?

Mach Erziehung zur Herzenssache!

10 Tipps, um den bedürfnisorientierten Erziehungsansatz in deiner Familie aktiv zu leben

Viele Eltern plagt das schlechte Gewissen, weil sie den bindungs- und bedürfnisorientierten Erziehungsstil erst sehr spät entdeckt haben. Scham und Schuldgefühl machen sich bemerkbar. Habe ich mein Kind schon verkorkst? Ist unsere Beziehung auf ewig geschwächt? Kann ich es ‘wiedergutmachen?’

Die Forschung beweist, dass es niemals zu spät ist, die Bindung und Beziehung zum Kind zu verbessern. Je älter das Kind, desto mehr Anstrengung und Geduld braucht es von Seiten der Eltern, doch es funktioniert. Lass’ also mögliche Schuldgefühle hinter dir und mache mit den folgenden Tipps die ersten wichtigen Schritte in die gewünschte Richtung.

  1. Starte mit dir selbst

Der wichtigste Schritt, wenn dich etwas am Verhalten des Kindes ärgert, ist - ab jetzt - den Fokus auf dich selbst zu lenken. Halte inne, stoppe, was du gerade machen möchtest und atme tief durch. Nimm die Empfindungen in deinem Körper wahr. Welches Gefühl spürst du gerade? Welchen Triggerknopf hat dein Kind gerade mit seinem Verhalten bei dir gedrückt? Ist es Ärger, Enttäuschung, Hilflosigkeit, Frustration?

Wenn möglich, halte dich mit einer schnellen Reaktion zurück. Warte. Solange, bis du dich ruhiger geatmet hast. Das braucht Übung! Probier es bei der nächsten Gelegenheit aus - die Selbstregulation ist einer der wichtigsten Schritte - die Basis - wenn man so will und die solltest du beherrschen, bevor du zu den nächsten Schritten weitergehst.


2. In Beziehung gehen

Das ist die nächste wichtige Komponente, ohne die der friedliche Erziehungsansatz nicht funktionieren kann. Die Bindung und Beziehung zu deinem Kind stärkst (oder verbesserst) du am besten ganz strategisch mit täglich mind. 15 Minuten bewusster 1:1-Zeit. In dieser Zeit schenkst du deinem Kind deine volle Aufmerksamkeit, bist präsent und überlässt ihm die Führung. Ohne gestärkte Bindung lässt du vielleicht Strafen und Belohnungen weg, dein Kind ist aber dennoch nicht motiviert, mit dir zu kooperieren. Anzeichen dafür ist anhaltend herausforderndes Verhalten.


3. Achte auf deine Kommunikation

Tägliche 15 Minuten bewusste und freundliche Qualitätszeit mit deinem Kind macht noch keinen großen Unterschied, wenn du in der restlichen Zeit dein Kind eher kritisierst, negativ bewertest oder es nur zu hören bekommt, was es alles falsch macht. Achte darauf, wie du mit deinem Kind kommunizierst. Würdest du dich geschätzt und geliebt fühlen, wenn du deine Worte jeden Tag hörst? Würdest du ein gutes Selbstbild entwickeln? Wenn nicht, dann ändere doch in den nächsten Tagen probeweise deine Kommunikation und hebe mal nur alles Positive hervor. Das, was dein Kind (deiner Meinung nach) nicht gut macht, lässt du mal eine Zeitlang unerwähnt. Ich bin mir sicher, du merkst einen Unterschied.


4. Bitte dein Kind um Kooperation

Sobald dir die ersten Schritte schon gut gelingen - also Selbstregulation, in Beziehung gehen und eine wertschätzende Kommunikation - kann der nächste Schritt klappen. Mach es sichtbar, dass du jetzt weniger oft in alte Muster verfällst, im Gegensatz zu früher:

„Weißt du noch, wie ich dich immer angeschrien und in dein Zimmer geschickt habe, wenn du gegen die Regeln verstoßen hast? Ist dir aufgefallen, dass ich viel weniger schreie? Es tut mir so leid, dass ich früher so viel geschimpft habe. Du hast es nicht verdient, angeschrien zu werden, egal was passiert. Niemand tut das.“

Und bitte gleichzeitig um Kooperation: „Wir haben immer noch die gleichen Regeln. Es ist also nicht in Ordnung, zu lügen, Versprechen zu brechen oder deine Geschwister zu schlagen. Ich arbeite weiterhin hart daran, dich nicht anzuschreien, sondern dir wirklich zuzuhören und freundlich zu sein. Glaubst du, dass du auch an dieser Regel arbeiten und freundlich zu deiner Schwester sein kannst?


Oftmals weiß dein Kind nur, dass es etwas NICHT will und hat keine Ahnung davon, welche Möglichkeiten es gäbe, die Situation anders zu lösen. Biete hier deine Hilfe an, denn du hast natürlich den besseren Überblick:

„Ich weiß, dass dir dein kleiner Bruder manchmal auf die Nerven geht und immer mit deinen Sachen spielen will. Das nervt dich wirklich. Du kümmerst dich gut, um deine Spielsachen und so soll es auch sein. Es ist nicht in Ordnung, deinen Bruder anzuschreien. Was hältst du davon, wenn wir deine Spielsachen auf das Regal hier stellen, sodass dein Bruder sie nicht einfach nehmen kann oder wenn dir eine Schatzkiste basteln, wo du sie gut aufbewahren kannst?“

Auf diese Art und Weise nimmst du dein Kind in seinem Anliegen ernst und zeigst eine Win-Win-Situation auf. Es weiß, den Bruder schimpfen ist nicht okay, und es merkt, dass es die Situation anders lösen kann und fühlt sich dadurch bestärkt (statt hilflos).

5. Biete Unterstützung an und bestärke dein Kind


6. Setze Grenzen empathisch

All die vorangegangenen Schritte helfen uns dabei, Situationen mehr und mehr aus der Sicht des Kindes zu sehen. Das ist gut und minimiert schon eine ganze Menge an unnötigen Konflikten. Dennoch bleiben noch viele Momente, wo wir unserem Kind Wünsche abschlagen und Grenzen aufzeigen müssen. Und das ist völlig okay. Wichtig dabei ist, Grenzen empathisch zu setzen, d.h. wir selbst bleiben in einer ruhigen und gelassenen Haltung und wir können den erwartbaren Gefühlsausbruch mitfühlend und geduldig begleiten. Wenn du also ein zweites Eis nicht mehr erlaubst, keine 30 Minuten Computerzeit genehmigst oder einfach nur den Kopf des Geschwisterkindes vor einem Loch bewahren möchtest - sei dir bewusst, dass ein Gefühlsausbruch kommen wird. Bleibe bei deiner Entscheidung - ruhig und empathisch:

„Du möchtest noch stundenlang weiterbauen, und gar nicht mit dem Spielen aufhören und dich fürs Bett fertig machen, nicht wahr? Das wäre toll! Ich wette, wenn du erwachsen bist, wirst du jede Nacht die ganze Nacht durchspielen, stimmt’s? Wow, da freu ich mich schon für dich! Und jetzt ist es Zeit für dein Bad.“


7. Lebe Wiedergutmachung vor

Wenn du vom herkömmlichen (meist strafenden) Erziehungsstil kommst, dann fühlt es sich vielleicht irgendwie ‘unfertig’ an, nicht zu strafen. Das Kind muss ja irgendwie auch die Konsequenzen seines Tuns tragen. Doch solange dein Kind mit seinen überwältigenden Gefühlen zu tun hat, ist es deine einzige Aufgabe, diesen Gefühlen Raum zu geben. Belehrung oder schlimmer, Bestrafung, haben in diesem Moment keinen Platz. Erst nachdem sich die Wogen geglättet haben, mit deiner ruhigen und einfühlenden Begleitung, öffnet sich das Fenster, um das Geschehene nachzubesprechen - manchmal erübrigt sich dieser Schritt ganz. Und eine Entschuldigung benötigt noch ein paar weitere Dinge, um wirklich zur aufrichtigen Entschuldigung zu werden.


8. Heiße (alle) Gefühle willkommen

Wenn Kinder bestraft werden, lernen sie, große Emotionen, die sie in Schwierigkeiten bringen, zu unterdrücken. Das funktioniert langfristig natürlich nicht, denn Eifersucht, Frustration und ungestillte Bedürfnisse werden nur vorübergehend in den sog. emotionalen Rucksack des Kindes gestopft und kommen bei der nächsten Gelegenheit in voller Wucht wieder hervor. Ein Grund, warum Kinder ihre Gefühle lieber herunterschlucken, ist die Angst vor Bestrafung. Sie haben gelernt, dass das Ausagieren dieser starken Emotionen sie in die Bredouille bringt. Kein gutes Gefühl!

Sobald wir mit Strafen und Konsequenzen aufhören und Wutanfälle konsequent, empathisch und friedlich begleiten, passiert Folgendes: mehr und mehr der unverarbeiteten Gefühle kommen an die Oberfläche und es fühlt sich so an, als hätte das Kind mehr Gefühlsausbrüche als je zuvor! Wirkt der bedürfnisorientierte Erziehungsstil etwa gar nicht? Ganz im Gegenteil!

Dein Kind fühlt sich nun einfach sicherer, in deiner Gegenwart alle bisher unverarbeiteten Gefühle hochkommen zu lassen, um sie zu verarbeiten. Kinder können noch nicht rational ausdrücken, warum das passiert - sie können nicht sagen: “Mama, jedes Mal, als du mich so angeschrien hast, hatte ich solche Angst ... Ich hab so getan, als wäre es mir egal, aber ich hatte innerlich Angst ... Diese Angst ist immer noch in mir und sie zerfrisst mich und fühlt sich schrecklich an. ...Ich versuche, diese Gefühle im Zaum zu halten, aber es gelingt mir nicht …“ Aber wir können jeden Moment, in dem das Kind seine Gefühle ausdrückt, begrüßen, weil wir wissen, dass hier Heilung passiert.


9. Schaffe einen sicheren Hafen

Je sicherer sich dein Kind fühlt, seine Gefühle zu zeigen, desto einfacher gelingt ihm Gefühlsregulation. Etwas, das viele Erwachsene von Kindern erwarten, jedoch ohne ihnen Vorbild zu sein, wie das funktioniert. Es braucht den sicheren Hafen, um sich sicher zu fühlen und sich zu öffnen. Bleibe daher ruhig (Schritt 1 von oben) und nimm den Wutausbruch nicht persönlich. Je mitfühlender und akzeptierender du bist, desto sicherer fühlt sich dein Kind, die Gefühle hinter seiner Wut zu fühlen und zu zeigen. Denn die Wut ist meist nur die Abwehrreaktion des Körpers, die ‘bedrohlichen’ Gefühle unter (oder hinter) der Wut nicht spüren zu müssen. Angst, Trauer, Eifersucht und viele andere unangenehme Gefühle können sich hinter der Wut gut verbergen.

Sobald die Wut verfliegt und die wahren Gefühle, um die es geht, hervorkommen können, passiert die Heilung (= die Verarbeitung). Vielfach begleitet von Tränen, Schluchzen und Klagen. Die überwältigenden Gefühle können sich auflösen und das Kind lernt - auch wenn es schlimm war, diese Gefühle zuzulassen - mir ist nichts Schlimmes passiert, meine Eltern stehen an meiner Seite und helfen mir mit meinen Gefühlen.


10. Verpflichte dich, dranzubleiben

Du bist nun auf einem Weg, der zu einer glücklicheren, friedlicheren Familie führt. Auch wenn's mal zwei Schritte vorwärts, einen Schritt zurückgeht - es geht in die richtige Richtung! Du wirst merken, es gibt Tage, an denen alles ein großer Kampf ist, aber dass sich tief in euren Herzen etwas verändert. Vielleicht spürst du, wie ihr als Familie enger zusammenwächst. Es wird mit der Zeit einfacher, weil du neue Fähigkeiten erlernst, mit den täglichen Situationen umzugehen.

Wenn wir Erziehung zur Herzenssache machen, entwickeln wir nicht nur mehr Mitgefühl für unser Kind, sondern auch für uns. Gib dir selbst ein Commitment, jeden Tag dranzubleiben und sei gütig zu dir selbst. Das ist der beste Weg zu weniger Drama und mehr Liebe in der Familie.

Das ist es, was es für ein gesundes Heranwachsen von Kindern braucht

Präsente Eltern, die in der Lage sind, die eigenen Gefühle adäquat zu regulieren.

Das Aufrechterhalten einer starken Bindung und guten Beziehung zwischen Eltern und dem Kind.

Bestärkung des Kindes und beständige Unterstützung bei der Selbstregulation.

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In den schwierigen Momenten, in denen wir vor unserem wütenden Kind stehen und spüren, wie unsere eigene Wut steigt, ist ein Schummelzettel ein wunderbarer Helfer! Du findest darauf nochmals die 10 Tipps, die dich daran erinnern, wie du den bedürfnisorientierten Erziehungsansatz in deiner Familie aktiv umsetzen kannst.

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