5 Tipps, wenn Mitgefühl scheinbar nicht funktioniert
Wenn Erwachsene sich bei Gefühlsausbrüchen ihrer Kinder auf die Beziehungsebene begeben und Mitgefühl zeigen, berichten die meisten über wunderbare Erfolge. Dann gibt es auch welche, die sagen: „Ach, die ganze Mitgefühls-Masche wirkt ja nicht! Bei meinem Kind zieht das nicht!“ Den meisten Menschen (egal, ob groß oder klein) hilft es aber, mit den eigenen Ansichten und Gefühlen gesehen zu werden – das reicht oft schon, um den Gefühlssturm weniger werden zu lassen und ruhiger zu werden. Und kooperativer.
In diesem Artikel gebe ich dir 5 Tipps an die Hand, wenn Mitgefühl bei euch scheinbar nicht funktioniert und was du ändern kannst, damit es klappt.
5 Gründe, warum Mitgefühl scheinbar nicht funktioniert und was du ändern kannst
Der Knackpunkt bei vielen Eltern ist tatsächlich der Gedanke:
„Wenn ich Mitgefühl zeige, dann bedeutet das ja, dass ich auch mit dem Verhalten einverstanden bin … und das bin ich nicht!“
Erst, wenn Erwachsene „gecheckt“ haben, dass man nicht jedem Wunsch nachgeben muss und dennoch den stürmischen Gefühlen des Kindes Raum geben kann, können sie Mitgefühl zeigen und die Früchte (= kürzere Wutanfälle, weniger intensive Gefühlsausbrüche) ernten.
Aber Stopp! Empathie und Mitgefühl sind keine Wege, um eine andere Person oder deren Verhalten zu kontrollieren.
Vielmehr geht es um Verbindung, ums in-Beziehung-gehen und darum, dem Kind bei der Regulierung der eigenen Gefühle zu helfen. Wenn also das „Ding mit dem Mitgefühl“ nicht funktioniert, dann kann das verschiedene Gründe haben:
Baust du in dieser Situation wirklich Beziehung zu deinem Kind auf?
Und hilfst du deinem Kind auch wirklich seine Gefühle zu verarbeiten?
Wenn ich Eltern dazu ermutige, Gefühlsausbrüche mit Mitgefühl zu begleiten, um sie schneller und friedlicher zu beenden, höre ich oft Zweifel. Hier sind 5 typische Sätze, die ich von Eltern höre, wenn Mitgefühl für sie scheinbar nicht funktioniert:
1. „Mitgefühl bringt mein Kind dazu, noch mehr und lauter zu brüllen.“
Wenn wir die Gefühle des Kindes anerkennen, dann können sich diese im ersten Moment verstärken, ja. Aber wir verursachen diese „schlechten“ Gefühle nicht. Sie sind ja bereits „im Kind“ und steuern sein Verhalten. Denk daran, wie es bei dir ist, wenn du in einer Situation starke negative Gefühle erlebst – vielleicht passiert etwas sehr Schlimmes, aber du reißt dich in diesem Moment zusammen, weil es nicht passend wäre, diese Gefühle gleich herauszulassen. Dann triffst du mit deinem Partner oder einer guten Freundin zusammen, die dich vielleicht umarmen und fragen, was los ist, und schon schießen die Tränen in die Augen und die Gefühle brechen aus dir raus. Genauso geht es auch unseren Kindern. Ja, es stimmt, dass wenn sie von intensiven Gefühlen überwältigt werden und wir ihnen unser Mitgefühl entgegenbringen, dass sie diese dann erstmal „intensiver“ kundtun. Aber das ist gut! Denn sobald sie sich dieser Gefühle bewusstwerden (sie also raus dürfen), können sie auch verpuffen. Das ist, was nötig ist, um Gefühle regulieren zu lernen.
2. „Mitgefühl stoppt den Wutanfall nicht.“
Wenn Kinder das Gefühl haben, sie werden NICHT gehört und mit ihren Gefühlen nicht gesehen, dann eskaliert es oft. Und das ist ganz logisch. Geht uns Erwachsenen ja auch nicht anders. Wenn du also Mitgefühl zeigst und den Gefühlen Raum gibst, dann wirkt das meist de-eskalierend. Wenn das aber nicht der Fall ist, gibt es dafür einen guten Grund. Die Gefühle deines Kindes sind vielleicht derart „groß“ und es hat sich schon mächtig viel angestaut, sodass es nicht so einfach ist, diese aufzulösen.
Wenn dein Kind ausrastet, akzeptiere einfach diese Gefühle, vermittle deinem Kind Sicherheit, indem du dennoch ruhig und friedlich bleibst, sodass dein Kind die Möglichkeit hat, all diese angestauten Gefühle hochzuholen, damit sie sich auflösen können. Halte dich mit Worten zurück, kommuniziere, dass du da bist und wenn es so weit ist, mit einer Umarmung bereitstehst. Mitgefühl stoppt in diesen Fällen den Wutanfall vielleicht nicht sofort, aber es hilft dir und deinem Kind eine Situation zu schaffen, in der alle tiefliegenden Gefühle herauskommen können, sodass sie verarbeitet werden. Und das ist das Wichtigste dabei.
3. „Ich sage 'Ich sehe, du bist traurig und frustriert', aber mein Kind wird noch wütender und schreit mich an, den Mund zu halten."
Bei einem wütenden Kleinkind gehst du vielleicht runter auf Augenhöhe und sagst in einem mitfühlenden Ton „Du bist grad so wütend!“, um dein Verständnis für die Gefühlslage deines Kindes auszudrücken. Bei vielen Kleinkindern kommt damit an: „Meine Eltern wissen, wie es mir geht und es gibt sogar einen Namen für dieses Gefühlsmonster, das mich da gerade überwältigt!“
Es kann aber (gerade auch bei älteren Kindern) sein, dass dein Kind sich dadurch analysiert und kontrolliert fühlt, aber auf keinen Fall „verstanden“. Stellen wir uns vor, wir sind ziemlich mies gelaunt und frustriert und unser Partner wiederholt ständig: „Du bist so traurig und frustriert!“ In vielen Fällen macht uns das selbst nur noch wütender.
Du liest auf meinem Blog öfters, dass wir Gefühle benennen sollen und du kennst vielleicht den Ausdruck "name it to tame it." (benenne es, um es zu zähmen). Hier geht es vorrangig darum, der Person, die die Gefühle erlebt, diese erlebten Gefühle bewusster werden zu lassen. Wenn wir als Eltern diese Gefühle genau benennen und uns damit das Recht herausnehmen, zu wissen, wie es dem anderen geht, dann kann das entweder gut gehen – es wirkt de-eskalierend - oder es geht in die Hose – es löst Widerstand aus.
Unser Ziel sollte dabei immer sein, dass sich das Kind verstanden fühlt. Also nutzen wir eine Stimmlage, die unser Mitgefühl ausdrückt. Wenn wir Gefühle benennen, achten wir am besten darauf, ob es bei diesem Kind passend ist, und es sich dadurch verstanden fühlt. Wenn nicht, dann lassen wir diesen Schritt natürlich weg.
Bei Kleinkindern ist vielleicht noch eher ein „singendes“ Mitgefühl notwendig, wie:
"Oh, Lisa…Ich merke wie sehr du dir das jetzt wünscht...Oh, wie ich das verstehe…das ist sooo enttäuschend, stimmts?"
Je älter die Kinder werden, desto weniger ist an Worten notwendig und oft reicht schon ein einfaches „Das tut mir so leid für dich!“ oder auch nur ein mitfühlendes „Mhmmm…Ach nö…Ach du liebes Bisschen…“
4. „Ich bin empathisch und mitfühlend, aber trotzdem ist mein Kind wütend und aufgebracht.“
Wenn du wirklich mit- und einfühlend bist, bedeutet das, dass du die Gefühle deines Kindes teilweise nachempfinden kannst:
Bekommst du feuchte Augen, wenn dein Kind weint?
Ziehen sich deine Gesichtsmuskeln zu einem traurigen Gesicht zusammen?
Wenn du die Sache aus der Perspektive deines Kindes sehen und das tiefe Mitgefühl spüren kannst, dann wird sich dein Kind verstanden und umsorgt fühlen. Das ist in den meisten Fällen schon genug, um deinem Kind durch die Regulierung seiner Gefühle zu helfen.
Wenn das nicht genug ist, dann bedeutet es lediglich, dass dein Kind zusätzlich zum Mitgefühl noch Hilfe zur Lösung des Problems benötigt:
"Du bist so wütend, weil dein kleiner Bruder dir dauernd deinen schönen Turm umschmeißt, komm mit, lass uns einen Platz suchen, wo du ungestört bauen kannst."
Manchmal kann das Problem nicht zufriedenstellend erfüllt werden. Die Enttäuschung ist dann so groß, oder es löst weitere Gefühle aus, die an die Oberfläche kommen wollen, sodass das Kind in Tränen ausbricht. In diesem Fall hat Mitgefühl „gewirkt“, denn dein Kind hat sich sicher genug gefühlt, um alle überwältigenden Gefühle herauszulassen. Gut gemacht!
So geht „Gefühle regulieren“ – das Kind fühlt sich bei dir sicher genug, um alle angestauten Gefühle auszudrücken – gleichzeitig merkt es, dass es sich nach dem Gefühlsausbruch besser fühlt und all diese „komischen“ Gefühle okay sind. Du hast dein Kind ruhig durch diesen Gefühlssturm begleitet. Und auch wenn du seinen Wunsch nicht erfüllen konntest, und es darüber in Wut und Tränen ausgebrochen ist, merkt es, dass du es dafür nicht beschuldigst.
Du vermittelst ihm damit, dass Wut und Trauer und andere Gefühle zwar unangenehm, aber bewältigbar sind. Wenn Kinder nicht das bekommen, was sie wollen, brauchen sie oft eine Weile darüber zu trauern und die Enttäuschung zu verarbeiten. Dein Mitgefühl und deine Ruhe helfen ihm dabei. Aber das ist ein längerer Prozess und nichts, was sofort gelernt wird. Hier findest du noch weitere 15 Gründe für Wutausbrüche bei Kindern >
5. „Ich sage meinem Kind 'Ich verstehe, du bist wütend, aber wir hauen nicht!‘ und 5 Minuten später haut es doch wieder.“
Das Wörtchen ABER hat’s in sich! Sehr oft, wenn wir ABER benutzen, fühlt sich die andere Person mit ihren Gefühlen nicht wirklich gesehen. Vielleicht kennst du den Ausspruch: "Alles vor dem ABER ist gelogen."
„Ich liebe dich, aber…“
„Was du gemacht hast, ist wunderbar, aber…“
„Eigentlich wollte ich heute Sport machen, aber…“
Wenn du eine kleine Veränderung in der Kommunikation vornimmst, wirst du vermutlich einen Unterschied sehen:
„Du bist wirklich wütend, oder? Ich versteh das! Ich kann das sogar sehr gut verstehen! UND es ist nicht okay, deine Schwester zu hauen. Komm‘ lass uns einen Platz suchen, wo du ungestört bauen kannst…“
Deine Stimmlage sollte natürlich vermitteln, dass du dein Kind wirklich verstehst und fühlst, wie aufgebracht es ist. Der eigentliche Grund, warum mitfühlende Erinnerungen dein Kind nicht unbedingt von weiterem Hauen abhalten wird, ist, dass WORTE alleine keine Probleme lösen.
Es ist wirksamer, die eigenen Grenzen aufzuzeigen, für eine sichere und vertrauensvolle Umgebung zu sorgen, sodass die wirklichen Gefühle ausgedrückt werden können. Nur dann löst sich das Hauen mit der Zeit auf.
Du siehst, man kann einiges verfeinern, wenn Mitgefühl scheinbar nicht funktioniert. Probiere es aus! Wenn du echtes Mitgefühl spürst und dies zeigen kannst, wird es immer dazu führen, dass dein Kind sich verstanden fühlt. Die Gefühle kommen dann vielleicht etwas intensiver raus, aber sie verpuffen auch schneller und lösen sich leichter auf. 10 hilfreiche Tipps, um den bedürfnisorientierten Erziehungsansatz umzusetzen, findest du hier.