Gefühlsregulation und die positive Prägung des Gehirns

Der Einfluss von Gefühlsregulation auf die Gehirnentwicklung deines Kindes
 

Zum Thema Selbstregulation (oder Gefühlsregulation) haben wir in diesem und in diesem Beitrag schon einiges geschrieben - und sind hier nochmals explizit auf die emotionale Entwicklung selbstbestimmter Kinder eingegangen.

In diesem Beitrag gehen wir konkret auf die einzelnen Gehirnbereiche ein, auf die wir mit unserer Fähigkeit, unsere Gefühle selbstverantwortlich zu regulieren, positiv einwirken können.

Denn es ist absolut wichtig, sich dies als Elternteil oder Bezugsperson eines Kindes, vor Augen zu halten: Unser Verhalten prägt unser Kind - im positiven wie auch im negativen Sinne!

Da gibt’s kein drumherum.

Doch vorab noch ein kurzer Exkurs, warum Selbstregulation, also die Kompetenz unsere eigenen Gefühle adäquat regulieren zu können, unser wichtigstes Erziehungsinstrument ist.

Denn das ist selbst in der heutigen Zeit noch den wenigsten Erwachsenen wirklich so bewusst.

 

Selbstregulation, unser wichtigstes Erziehungsinstrument!

Viele von uns wissen es nicht, aber sobald wir diese Fähigkeit gelernt haben und täglich anwenden, ändert sich enorm viel in unserem Familienleben. Zum Guten, wohlgemerkt!

Einige Gründe, warum Selbstregulation unser wichtigstes Erziehungsinstrument sind, findest du hier:

  1. Du bist das Vorbild! Deine eigene Selbstregulation ist wie ein Spiegel für dein Kind. Bleibst du ruhig, lernt dein Kind, wie es sich selbst regulieren kann.

  2. Wenn dein Kind außer Kontrolle ist, bleib du IN Kontrolle! Und zwar in Kontrolle deiner eigenen Gefühle. Kinder brauchen in solchen Momenten einen ruhigen Erwachsenen, der ihnen hilft, sich wieder sicher und verbunden zu fühlen. Das nennt man Co-Regulation – wenn du ruhig bleibst, gibst du deinem Kind genau die Unterstützung, die es braucht.

  3. Erziehung ist Teamwork! Die Beziehung zu deinem Kind steht an erster Stelle. Nur wenn du ruhig und klar bist, kannst du die Verbindung stärken und dein Kind ermutigen. Das geht nur auf Augenhöhe und mit einem kühlen Kopf.

  4. Schimpfen = Rückschritt! Schreien oder Schimpfen bringt dein Kind nicht dazu, besser zu kooperieren – im Gegenteil! Es lernt nur, genauso laut zu werden (wie du), besonders wenn es überfordert ist. Außerdem schadet es der Beziehung und macht Zusammenarbeit noch schwieriger.

  5. Schreien löst nix! Kinder übernehmen, was sie sehen. Wenn du schreist, lernen sie, dass man Probleme durch Lautwerden löst – und das ist nicht das, was wir ihnen beibringen wollen, oder?

 

Nachdem wir diesen wichtigen Punkt geklärt haben, sehen wir uns nun die Gehirnbereiche an, die wir durch unsere Selbstregulation über Jahre hinweg positiv beeinflussen können.

Disclaimer: Die Darstellung ist hier natürlich sehr stark vereinfacht und die Bereiche entwickeln sich auch nicht komplett separat voneinander - aber es macht es anschaulicher und dadurch (be)greifbarer, finde ich.

 

Der Vagusnerv

Der Vagusnerv ist der längste und einer der wichtigsten Nerven des parasympathischen Nervensystems. Seine Hauptfunktionen sind: die Regulation des Herzschlags, steuert die Magen- und Darmfunktionen, hilft, die Atmung zu beruhigen und vieles mehr.

Dieser wird stärker trainiert und ausgebildet, was deinem Kind hilft, sich schneller selbst zu beruhigen. Und das bereits in jungen Jahren! Dadurch entwickelt es eine bessere Fähigkeit, mit Stress umzugehen, und seine Resilienzfähigkeit wird auch gestärkt.

 

Der Bereich der Amygdala

Indem wir konsequent zuerst unsere eigenen Gefühle regulieren, bevor wir auf das Verhalten des Kindes reagieren, üben wir positiven Einfluss auf den Gehirnbereich der Amygdala des Kindes aus. Sie ist (und wird) ‘weniger reaktiv’, was bedeutet: weniger Wut und weniger Drama im Familienalltag!

Das Kind reagiert weniger schnell beleidigt und es kann gelassener mit Herausforderungen umgehen. Außerdem lernt es, mehr Verantwortung zu übernehmen und souveräner zu handeln.

 

Der Hypothalamus

In diesem Bereich bewirken wir die Bildung zusätzlicher (vermehrter) Oxytocin-Rezeptoren, wodurch dein Kind ein stärkeres Gefühl von Verbundenheit und mehr Glücksgefühle erlebt.

Oxytocin wird ja oft als "Kuschelhormon" oder "Bindungshormon" bezeichnet, da es eine wichtige Rolle bei sozialen Bindungen, Vertrauen und emotionaler Nähe spielt. Es wird beispielsweise beim Kuscheln, bei der Geburt (Bonding), beim Stillen und in positiven sozialen Interaktionen freigesetzt und trägt maßgeblich zum Gefühl von Geborgenheit und Verbundenheit bei, was ebenfalls positive Gefühle auslösen kann.

 

Der Präfrontale Kortex

Der präfrontale Kortex, der Teil des Gehirns, der für Vernunft, Selbstkontrolle und Entscheidungsfindung zuständig ist, reift bei Kindern, deren Eltern sich selbst regulieren, schneller. Dein ruhiges Verhalten fördert die Entwicklung neuronaler Verbindungen in diesem Bereich, was zu mehreren positiven Effekten führt:

  • Mehr Selbstregulation: Dein Kind lernt, eigene Emotionen und Impulse besser zu steuern.

  • Mehr Selbstkontrolle: Es kann besser mit Herausforderungen umgehen und überlegte Entscheidungen treffen.

  • Mehr Vernunft: Durch Vorbilder, die in schwierigen Situationen rational handeln, wird das rationale Denken deines Kindes gestärkt.

  • Mehr Selbstachtung: Ein Kind, das sieht, wie seine Eltern mit Ruhe und Selbstvertrauen agieren, entwickelt ein gesundes Selbstwertgefühl.

 
 

An welchem Punkt befindest du dich gerade?

Vielleicht merkst du beim Lesen, dass du noch fast jeden Tag mit deinem Kind schimpfst oder schreist? Mach dir keine Sorgen – du kannst das ändern! Du wirst begeistert davon sein, wie du schon bald mehr Frieden und Friedlichkeit in deiner Familie erleben wirst, wenn du aktiv an den Punkten arbeitest:

10 Schritte, um mit dem Schimpfen aufzuhören

4 sofort umsetzbare Schritte, um die Beherrschung nicht so schnell zu verlieren

 

Oder du merkst, dass du noch ein paar Mal pro Woche in den Wutanfall deines Kindes voll mit einsteigst? Du verfällst ein paar mal wieder in ‚das alte Muster‘ und steigst in Sekundenschnelle selbst in die Wutspirale mit ein?

Finde heraus, welche Situationen dich noch überfordern, und WANN genau es dir schwerfällt, dich selbst zu regulieren. Dann kannst du dich gut auf diese Momente vorbereiten und auch vorbeugend an inneren Ressourcen arbeiten.

 

Dir gelingt es in den meisten Fällen schon gut, ruhig und gelassen zu bleiben? Dennoch gibt es Situationen, die dir zeigen, dass ‚alte Muster‘ noch aktiv sind bzw. manch alte Wunde aus der eigenen Kindheit diese noch aktivieren?

Wunderbar, du bist schon auf einem guten Weg!

Tägliche Achtsamkeits- und Selbstfürsorgepraktiken werden dir helfen, ausgeglichener zu bleiben. Weiters kann es sein, dass du in vielen Situationen deine eigenen Grenzen stark übergehst und daher in deiner Kommunikation mit dem Kind nicht authentisch bist und mit sogenannten Doppelbotschaften kommunizierst.

 

Fazit

Es ist sehr wichtig, dass wir unsere eigenen Gefühle erkennen und damit auch bewusster umgehen können. Das ist nicht so einfach, aber es lohnt sich: Dein Kind wird sein ganzes Leben lang davon profitieren, dass es durch diese frühe Prägung ein ruhigeres und widerstandsfähigeres Gehirn entwickelt!

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Von einem Extrem ins andere? Warum der Laissez-faire-Erziehungsstil auch nicht das Gelbe vom Ei ist

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Selbstbestimmte Kinder und Gefühlsregulation