3 Irrtümer im Alltag mit selbstbestimmten, willensstarken Kindern
Der Alltag mit selbstbestimmten Kindern wird oft eher negativ bewertet. Selbstbestimmte, sogenannte autonome und willensstarke Kinder, werden in der Gesellschaft nicht gerne gesehen. Man nennt sie trotzig, bockig, anstrengend, verwöhnt, schlimm, ungehorsam, schlecht erzogen, oppositionell … und vieles mehr. In diesem Artikel geht es um 3 weitverbreitete Irrtümer und warum sie ständig für Konflikte und Wutausbrüche im Familien- oder Schulalltag sorgen.
3 Irrtümer im Alltag mit selbstbestimmten, willensstarken Kindern, die du vermeiden solltest
Viele Erwachsene sehen Willensstärke und Durchsetzungskraft bei Erwachsenen durchaus als positive Fähigkeit. Beim Kind aber ist es Trotz und muss dem Kind frühzeitig abgewöhnt werden.
Woher kommt dieser Irrglaube? Warum glauben immer noch so viele Menschen, dass Kinder sich Erwachsenen gefälligst unterzuordnen haben? Hier fasse ich einige Denkfehler zusammen.
Denkfehler Nr. 1: Willensstärke bei Erwachsenen eine positive Fähigkeit, beim Kind ist es Trotz und Manipulation
Dazu ein gängiges Beispiel: das sogenannte Trotzalter.
Es wird fälschlicherweise als Trotzalter bezeichnet! In Wirklichkeit ist es eine erste Selbstständigkeitsphase. Eine Phase, in der das Kind autonom wird, wo es langsam merkt, was es selber kann und es auch selber tun will. Eine ganz normale Entwicklungsphase jedes Menschen. Wir sagen aber: Das Kind ist im Trotz.
Der Knackpunkt dabei ist: Wir Erwachsenen verstehen den Grund des kindlichen Verhaltens nicht.
Das Kind ist authentisch und bei sich, macht eine normale Entwicklungsphase durch, nur wir Erwachsenen fühlen uns dabei oft hilflos, weil wir sein Verhalten nicht verstehen.
Selbstbestimmte Kinder sind unbequem und unpraktisch im Alltag. Viele sind erschöpft vom ewigen Herumdiskutieren und fangen an mit Schimpfen und Schreien. Genau das, was sie eigentlich vermeiden wollen.
Da stehen wir Eltern vor einer wirklichen Lernaufgabe. Und das unterscheidet dann eben Eltern, die sich auf diesen Lern- und Entwicklungsprozess einlassen von jenen, die sich weiterhin in jeden Machtkampf mit dem Kind begeben. Unser Kind stellt uns vor die Tatsache, dass wir uns positionieren müssen.
Und der große Irrtum dabei ist, zu denken: Das Kind ist willentlich „trotzig“ und macht das, weil es uns manipulieren will.
Frage dich: Liegst du dem Irrtum noch auf, also glaubst du, dass dein Kind mehr gehorchen sollte, sich nicht so trotzig benehmen sollte, deinen Anweisungen ohne zu Hinterfragen folgen sollte oder kannst du die Willensstärke deines Kindes und das Bedürfnis nach Selbstbestimmung schon als wunderbare Eigenschaft sehen, so wie wir das bei Erwachsenen bewundernswert finden, wenn sie ihren Weg gehen?
Denkfehler Nr. 2: Willensstarke Kinder sind nur schlecht erzogen. Da braucht es einfach mehr Konsequenz!
Das ist ein Argument, das sehr schnell kommt, wenn es um die Selbstbestimmung bei Kindern geht.
"Weil ich als Erwachsener bin ja schon eine gereifte Persönlichkeit, ich habe die Erfahrung, ich weiß einfach schon vieles besser und das soll mein Kind einfach mal so respektieren und annehmen ohne zu diskutieren!"
Da sind wir sehr schnell wieder im Fahrwasser der Strafen und Konsequenzen. Und einer der häufigsten Gründe dafür ist, dass althergebrachte und leider noch immer stark verbreitete Erziehungsmythen aus der sogenannten "Schwarzen Pädagogik" kursieren: Da wird noch stark mit den Rollen „ich bin der Befehlshaber und du hast meinen Befehlen zu gehorchen“ gespielt. Wo man sich als Erwachsener automatisch als Autorität sieht, nur weil man älter ist.
Und da liegen wir einem Riesenirrtum auf. Gerade Kinder, die sehr selbstbestimmt, intelligent und sehr feinfühlig sind, enttarnen Erwachsene, die nur so tun, als wären sie eine Autorität. Erwachsene, die mit vielen pädagogischen Sätzen durchs Leben gehen, nicht authentisch sind und doppelte Botschaften aussenden.
Das merkt man an Sätzen wie:
"Wenn’s regnet, muss man eine Regenjacke anziehen!" (Wirklich?)
"Hausübungen müssen gemacht werden, das gehört zur Schule dazu!" (Tatsächlich?)
"... das macht man einfach so!" (Wer macht das so?)
Sätze wie diese werden gnadenlos hinterfragt, auf Authentizität überprüft und meist in der Luft zerpflückt. Und die Reaktion ist oft: "Nur weil du das sagst, muss das noch lange nicht stimmen!"
Übrig bleiben hilflose Erwachsene, die nicht wissen, was jetzt zu tun ist. Und da kommen wir wieder ins Fahrwasser von Strafen, Konsequenzen und unnötigen Konflikten, wenn wir selbst nicht gelernt haben, wie wir mit unterschiedlichen Meinungen konstruktiv umgehen.
Denkfehler Nr. 3: Eltern müssen ihrem Kind vermitteln, wo seine Grenzen sind, damit es in der Gesellschaft klarkommt.
Das höre ich immer wieder als Begründung, besonders wenn Sätze fallen wie:
„Willensstarke Kinder testen hartnäckig aus, wie weit sie gehen können ... und man muss ihnen hier unbedingt die Grenzen aufzeigen. Und das schon ganz früh! Wie werden sie später sonst mal im Beruf klarkommen?"
Das Missverständnis, das hier oft vorherrscht: Viele gehen davon aus, dass Kinder uns manipulieren wollen und das stimmt so nicht.
Wenn das Umfeld und die Bindung zum Kind gut passt, dann wollen Kinder kooperieren. Ein Kind, dessen Bedürfnisse ausreichend gestillt werden, kooperiert.
Jetzt kann es natürlich sein, dass du nicht genau weißt, welche Bedürfnisse dein Kind tatsächlich hat. Dann ist es folglich sehr schwer, diese zu decken.
Daher Grenzen aufzeigen? Ja, aber bitte die eigenen!
Da tun sich viele Erwachsene schwer, vor allem dann, wenn es in der eigenen Kindheit gar nicht üblich war, dass Kinder ihre eigenen Grenzen aufzeigen dürfen. Wenn du zurückdenkst an die eigene Kindheit oder die deines Erziehungspartners, wie wurde da mit dir umgegangen? Vielleicht wurden deine Grenzen ständig übergangen? Und da kommt plötzlich so ein selbstbewusstes, selbstbestimmtes Kind daher, das ganz gut mit sich in Kontakt ist und schon fühlen wir uns angegriffen. D.h. unsere Kinder helfen uns dabei, unsere eigenen Grenzen besser zu spüren. Sie helfen uns zu spüren, was will ich, wo ist meine Grenze, spüre ich diese, kann ich sie auch verständlich nach außen kommunizieren oder habe ich da noch Entwicklungspotenzial?
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