5 Tipps, wie du mit dem Wutanfall deines Kindes umgehen kannst

Ein Wutanfall deines Kindes löst in dir selbst Wut und Aggression aus? Damit bist du nicht alleine! Viele Eltern werden durch starke Gefühlsausbrüche des eigenen Kindes getriggert. Viele fühlen sich stark verunsichert und wissen nicht genau, wie sie auf den Wutanfall idealerweise reagieren könnten.

In diesem Artikel gebe ich dir Tipps an die Hand, wie du den Wutanfall deines Kindes gut begleiten kannst und was du konkret tun kannst.

 

Wenn unser Kind wütend wird, löst das auch Gefühle in uns aus. Sehr oft nicht die Besten!

Erwachsene werden schnell genervt und fühlen sich durch das 'schlechte Verhalten' getriggert! Löst der Wutanfall deines Kindes solche oder ähnliche Reaktionen in dir aus?

Warum muss es denn jetzt schon wieder wütend werden? Was ist denn jetzt schon wieder los?

Viele Eltern versuchen die Wut des Kindes zu unterdrücken. Sie sagen ihm, dass es sich gefälligst beruhigen oder zusammenreißen soll. Sie schicken es ins Zimmer „zum Runterkommen“ und wieder „normal“ werden.

Wenn wir das tun, beruhigt sich das Kind wahrscheinlich – irgendwann. “Man kann ja mit dem Kind in diesem Zustand auch gar nicht reden, stimmt's?!”

 

Was das Kind dadurch verinnerlicht

Die „Lektion“, die wir dem Kind vermitteln, wenn wir das machen und es mit seinen Gefühlen alleine lassen:

  • Es interessiert keinen, was dich so wütend macht. Dein Wutausbruch ärgert uns!

  • Wut ist schlecht. Du bist ein schlechter Mensch, wenn du wütend auf uns bist und deine Gefühle nicht in einem angemessenen Stil ausdrücken kannst!

  • Deine Wut macht uns Eltern Angst. Du bist alleine mit diesen großen beängstigenden Gefühlen. Finde selbst heraus, wie du damit umgehen sollst. Wir können dir dabei nicht helfen!

  • Wenn du wütend bist, ist es das Beste, dieses Gefühl einfach zu unterdrücken. Herunterschlucken, Verkneifen und wieder lieb sein, sonst bemerken mich meine Eltern nicht.

Es zeigt sich, dass die meisten Eltern in der eigenen Kindheit, solche Lektionen bekommen haben. Sie wurden ins Zimmer geschickt, zum 'brav' werden. Sie wurden mit diesen überwältigenden Gefühlen alleine gelassen, anstatt Hilfe bei der Gefühlsregulation zu bekommen.

Kein Wunder also, dass so viele von uns (Erwachsenen) Probleme bei der Aggressionsbewältigung entwickelt haben, und nun mit den eigenen Kindern sehr schnell in alte, geprägte Muster verfallen.

Der Wutanfall deines Kindes reißt also primär alte Wunden auf, auf die du vielleicht nicht optimal reagierst.

Geprägte Muster sind dann das Anschreien unserer Kinder, heftige Streitereien mit unserem Partner oder das Vollstopfen mit Essen, um uns von der unterdrückten Wut abzulenken. Oder andere angelernte Strategien.

 

Wie könntest du beim Wutanfall deines Kindes anders reagieren?

Wir könnten die tolle Chance nutzen und unseren Kindern zeigen, wie man mit dem Gefühl der Wut verantwortungsvoll umgeht. Wir könnten vermitteln, dass Wut ein genauso normales Gefühl ist, wie Freude, Furcht, Ekel oder Überraschung.

Wie bitte? Wie soll das gehen? Das können sich schon nicht mehr so viele vorstellen!

Und doch ist es oftmals nur eine Sache des eigenen Willens, etwas anders machen zu wollen.

Ganz einfach ausgedrückt – verantwortungsvolles Wutmanagement beginnt mit dem Akzeptieren unserer Wut, ohne diesem Wutgefühl nachzugeben und auszurasten oder um sich zu schlagen. Es gibt meist einen besseren Weg, sich auszudrücken.

Wenn wir bereit sind, innezuhalten und die unter der Wut liegenden Gefühle zu sehen, dann finden wir in der Tat meist Schmerz, Angst und Traurigkeit. Wenn wir uns erlauben, diese Gefühle zu fühlen und auszuhalten, dann verfliegt die Wut. Wir können erkennen - sie war nur ein Schutzmechanismus!

Ohne, dass es uns als Eltern wirklich bewusst wäre, ist das einer der wichtigsten Punkte, die wir unserem Kind vermitteln können – es liegt in unserer Verantwortung unserem Kind dabei zu helfen, gut mit den eigenen Emotionen umzugehen, und diese nicht zu verdammen.

 

Was wir konkret tun können, wenn unser Kind wütend ist

 

Tipp 1: Atme tief durch und erinnere dich selbst daran, dass es kein Notfall ist!

Das hält dein Stammhirn (dem ältesten Teil deines Gehirns) davon ab, eine Kampf- oder Fluchtreaktion auszulösen und du bleibst ruhiger. Dein Kind fühlt sich sicherer, wenn es sieht, dass du ruhig bleiben kannst.

 

Tipp 2: Hör dir aufmerksam an, warum dein Kind so aufgebracht ist.

Sehr oft reagieren Menschen viel stärker, als notwendig, wenn sie das Gefühl haben, dass ihnen nicht zugehört wird. Im Gegensatz dazu, wird sich dein Kind eher beruhigen, wenn es das Gefühl hat, dass du ihm aufrichtig zuhörst.

 

Tipp 3: Versuche, das Ganze aus der Sicht deines Kindes zu sehen.

Je mitfühlender (nicht mitleidender!) du in diesem Moment sein kannst, desto rascher wird das Kind zu den Gefühlen kommen, die unter dieser Wut liegen. „Oje, dass tut mir so leid, dass das so hart für dich ist…du sagst, dass ich dich nie verstehe…das fühlt sich sicherlich ganz einsam und traurig an…“ Es geht hierbei nicht darum, dem Kind unbedingt zuzustimmen, sondern alleine darum, seine Sicht der Dinge anzunehmen und ihm das Gefühl zu geben, gehört zu werden.

 

Tipp 4: Nimm es nicht persönlich!

Lass dich nicht von Schimpfwörtern oder Unhöflichkeiten aus der Bahn bringen. Als Eltern tendieren wir viel zu oft dazu, derartige Ausbrüche persönlich zu nehmen. Unser Kind hasst uns nicht, will auch keine neue Mutter oder neuen Vater, und meint auch nicht wirklich, dass wir Scheiß-Eltern sind, oder was es auch immer an Nettigkeiten ausspuckt. Es fühlt sich gekränkt, verängstigt und machtlos. Und es benutzt diese Aussagen, um uns zu zeigen, wie sehr! Antworten, wie „Oje, du bist sicher sooo verärgert, wenn du solche Sachen sagst, sag mir, warum du so aufgebracht bist, ich höre dir zu!“ können helfen, deinem Kind zu zeigen, dass du zuhörst und es kann dadurch ruhiger werden (manche Kinder wollen in dieser Situation aber gar nichts hören). Auf jeden Fall merkt dein Kind, dass es nicht noch lauter oder wilder in seiner Aktion werden muss, um von dir gehört zu werden und es sieht auch, dass es sicher ist, dir seine verletzliche Seite zu zeigen.

 

Tipp 5: Wenn dein Kind bereits im vollen Wutanfall ist, schweige lieber.

Versuche weder zu belehren, noch zu begründen, noch zu erklären. Der Adrenalinspiegel ist zu hoch und die Kampfreaktion (ausgelöst vom Stammhirn) noch zu aktiv, als dass dein Kind in der Lage wäre irgendetwas aufzunehmen. Geschweige denn einzusehen, dass es den Bruder doch eigentlich liebt, oder es jetzt nicht haben kann, was es will. Falls notwendig, setze Limits, um es selbst und andere in Sicherheit zu bringen. „Du bist so wütend! Es ist okay, wütend zu sein, aber andere hauen, geht nicht – du kannst mit dem Fuß aufstampfen, oder herumschreien, einen Ball werfen … um zu zeigen, wie wütend du bist.“

 

Wie soll ich das schaffen?

Bist du nicht so zuversichtlich, dass du die 5 Tipps von oben einfach so umsetzen kannst? Da magst du recht haben, denn geprägte Muster wollen sich nicht so schnell verabschieden - daher heißt es dranbleiben und üben. Hier findest du 10 Tipps für den optimalen Start. Vielleicht helfen dir auch die folgenden Tatsachen, dich zu motivieren, den Wutanfall deines Kindes aus einer anderen Perspektive zu sehen:

 

Erinnere dich jedes Mal daran, dass Wutanfälle ein Weg der Natur sind, unreifen Gehirnen dabei zu helfen, Dampf abzulassen

Kinder verfügen noch nicht über die neuronalen Bahnen im präfrontalen Kortex, um sich zu kontrollieren, wie wir Erwachsene das können (sollten). Die Architektur dieses Gehirnteils und seine regulatorischen Prozesse sind zwar seit der Geburt angelegt, reifen aber erst im Lauf des Kindes- und Jugendalters heran.

Wie sich die Impulsbremse bei Kindern entwickelt, hängt stark von den verschiedenen Rollenvorbildern und den sozialen Sanktionen ab! Also auch unmittelbar davon, wie du mit deinem Kind in diesen Situationen umgehst.

Wenn du dein Kind ruhig durch diesen Wutanfall begleitest, wird dein Kind sich dir näher fühlen und dir vertrauen. Für das Kind sind es ja subjektiv erlebte, verwirrende, beängstigende und überwältigende Gefühle, mit denen es noch nicht besser umgehen kann. Wenn du ruhig bleibst, fühlt es sich innerlich nicht mehr so aufgebracht und kann sich mehr öffnen. Es wird weniger unnachgiebig und fordernd sein.

 

Denk daran, dass Wut (und Aggression) eine Abwehr gegen Gefahr ist

Dies kommt von der „Flucht-, Kampf- oder Erstarren“- Strategie unseres Stammhirns. Manchmal gibt es eine wirkliche Gefahr von außen, meistens aber nicht. Wir sehen oft eine Bedrohung von außen, weil wir alte, unerledigte, unterdrückte Gefühle, wie Kränkungen, Traurigkeit oder Angst mit uns herumschleppen. Dann nehmen wir jeden Auslöser von außen zum Anlass, um in den Kampf-Modus zu wechseln. Wir unterdrücken diese Gefühle erneut, anstatt diese Gefühle anzunehmen, zu durchleben und sie aufzulösen.

Deshalb kann es auch sein, dass dein Kind scheinbar übertrieben auf eine Kleinigkeit reagiert. Irgendetwas 'Kleines' löst den Wutanfall in diesem Moment aus. Eigentlich ist es aber der ganze, bis jetzt mitgeschleppte Rucksack unterdrückter Gefühle, der zum Ausbruch kommt. Kinder werden alles tun, um diese unerträglichen Gefühle abzuwehren, daher brechen sie in Wut aus.

 

Eine sichere Atmosphäre hilft deinem Kind, die Wut loszulassen

Wenn dein Kind sich sicher genug fühlt, seine Wut zu zeigen, und wir dieser Wut mit Mitgefühl begegnen, dann kann die Wut verrauchen. Das bedeutet, während du die Wut deines Kindes akzeptierst und entsprechend friedlich begleitest, sind es die Schmerzen und Tränen, die die darunterliegenden Gefühle der Kränkung und Traurigkeit „wegwaschen“.  Das lässt wiederum die Wut verpuffen, weil sie nun nicht mehr als Abwehrmechanismus benötigt wird.

Dein Kind braucht das Gefühl, dass jemand für es da ist, auch wenn es wütend ist. Lasse es nicht allein im Raum und schicke es auch nicht weg. Wenn du dich etwas vom Kind entfernen musst, um selbst nicht verletzt zu werden, dann teile ihm mit, dass du für es da bist: „Ich lasse nicht zu, dass du mir wehtust, daher gehe ich etwas weiter weg, aber ich bin trotzdem da für dich. Sobald du bereit bist für eine Umarmung, bin ich für dich da …“

 

Wie geht’s nach dem Wutanfall weiter?

Natürlich ist auch der Prozess nach dem Wutanfall deines Kindes super wichtig. Hier bieten sich viele Chancen, es nochmals zu vergeigen, um es salopp auszudrücken. Damit das NICHT passiert, habe ich dir hier einige wichtige Anhaltspunkte zusammengestellt.

Die Wut deines Kindes ruhig anzunehmen, hilft ihm, sich zu beruhigen:

Der Versuch, möglichst viel Mitgefühl mit diesem sich bereits quälenden Kind aufzubringen, ist zwar für uns selbst schwer, aber lohnend in zweierlei Hinsicht:

  1. Das Kind spürt, dass es gesehen und angenommen wird, auch wenn es sich „schlecht“ benimmt. Es darf die eigentlichen Gefühle der Traurigkeit und der Kränkung erleben und muss sie nicht unterdrücken – das ist für das Kind von unschätzbarem Wert für sein weiteres Leben als Erwachsener.

  2. Deine Beziehung zum Kind bleibt intakt und es entsteht keine Distanz zwischen euch. Ganz im Gegenteil, die Beziehung zu deinem Kind wird durch diese Art des „Wutmanagements“ noch mehr gestärkt. Hier findest du weitere Tipps, wenn Mitgefühl scheinbar nicht funktioniert.

Warte ab, bis sich dein Kind ganz beruhigt hat und fange erst dann an zu reden:

Bitte vermeide eine Belehrung darüber, was es in dieser Situation hätte besser machen können. Kleineren Kindern hilft es, diesen großen Gefühlsausbruch in Kontext mit dem Auslöser zu bringen, indem man eine Geschichte erzählt:

“Das waren jetzt aber große Gefühle, hm …manchmal muss jeder mal ein bisschen weinen …Du wolltest XY ….ich sagte nein … du warst sehr enttäuscht darüber …du wurdest ziemlich wütend…Du warst so traurig und enttäuscht… Danke, dass du mir gezeigt hast, wie traurig und enttäuschst du warst …”

Wenn dein Kind überhaupt nicht mehr darüber sprechen will oder es ihm in diesem Moment zu früh ist, dann belass es für den Augenblick dabei. Es kann auch sein, dass noch eine „Nachwelle“ kommt und du dein Kind nochmals durch diese Phase begleiten musst – auch das ist okay.

 

Wenn es notwendig ist, schließe das Thema erst viel später ab:

Dein Kind weiß in den meisten Fällen, dass es etwas getan hat, was es nicht hätte tun sollen. Diese großen, überwältigenden Gefühle haben es dazu veranlasst, etwas als NOTFALL zu sehen und mit Wut zu reagieren. Bei einer Nachbesprechung (keine Belehrung!) kannst du mit ihm ruhiger über alternative Lösungswege sprechen. Ihr könnt in Ruhe darüber sprechen, dass es nicht notwendig ist, die Schwester zu hauen, sondern es Sinn macht, vorher Dinge mit ihr abzusprechen. Je nach Alter des Kindes findet es vielleicht selbst Lösungen. Bestärkung und herausfinden, wo das Kind noch Fähigkeiten entwicklen kann, ist wichtiger, als ihm wieder schlechte Gefühle zu bereiten, weil es etwas 'falsch' gemacht hat.

 

Was dein Kind dabei auf ganz natürliche Weise lernt?

Dein Kind erwirbt auf diese Art nach und nach die Fähigkeit, mit Enttäuschungen besser umzugehen.  Es lernt, dass es zwar nicht immer alles haben kann, was es will, aber dafür etwas Besseres bekommt, nämlich jemand, der es annimmt und liebt, auch wenn es enttäuscht und verärgert ist. 

Weiters lernt dein Kind, dass Gefühle nichts Gefährliches sind, nichts, das man verdrängen muss. Es lernt, diese Gefühle zuzulassen, ohne darauf zu reagieren, und dass sie wieder vergehen.

Es lernt, dass es sich auf seine Eltern - den sicheren Hafen - verlassen kann und diese sich nicht von einem Gefühlssturm aus der Ruhe bringen lassen. Lies hier mehr darüber, wenn du doch oft die Beherrschung verlierst.

Mit der Zeit wird es lernen, seine Gefühle verbal auszudrücken und wird, auch wenn es sehr wütend ist, nicht mehr das Bedürfnis verspüren, eine andere Person anzugreifen.

Und das Beste: das Band zwischen dir und deinem Kind wird jedes Mal stärker sein als zuvor. 

Natürlich gelingt es uns nicht immer – wir sind auch nur Menschen! Lade dir hier gerne deinen Schummelzettel - In 5 einfachen Schritten vom Drama zum Cool-Down herunter.

Jede und jeder von uns hat darüber hinaus noch seine individuellen Erfahrungen mit dem Thema Wut. Doch wenn wir uns auf diese Methode einlassen, helfen wir unserem Kind dabei, die notwendigen neuronalen Verbindungen für ein gutes Gefühlsleben aufzubauen und wir werden mit viel weniger Drama belohnt.

Das alles nur mit ein „bisschen“ Atmen und viel Mitgefühl im Angesicht von Wut!

 
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